Neues gefährliches Schönheitsideal

Social-Media-Trend "Legging Legs": Müssen Frauenbeine dünn sein?

2.4.2024, 14:59 Uhr
Die Nürnberger Expertin für Ernährungstherapie Jana Mihalko.

© privat Die Nürnberger Expertin für Ernährungstherapie Jana Mihalko.

Dazu gibt es viele Bilder und Kommentare auf Social Media: "Legging Legs". Der englische Begriff - zu Deutsch "Leggingbeine" - steht für ein neues Schönheitsideal, das zuweilen gefährlich ist und sich negativ auf die Psyche auswirken kann.

Der Begriff beschreibt das vermeintliche Ideal sehr schlanker Oberschenkel – so schlank, dass sich im Stehen eine Lücke zwischen den Schenkeln ergibt. Influencerinnen sowie deren Followerinnen posieren in Leggings und sprechen sich für möglichst dünne Beine aus. Manche haben diese bereits genetisch, andere geben vor, diese durch Sport erzielt zu haben, und einige inszenieren den Trend: Sie kippen ihre Hüfte nach hinten und kreieren so Abstand zwischen ihren Oberschenkeln. Die davon aufgenommenen Fotos und Videos werden auf Social Media hochgeladen und zahlreich geklickt. Die Protagonistinnen fallen auf das erfundene Ideal herein und reproduzieren es.

Die Nürnberger Expertin für Ernährungstherapie Jana Mihalko hat den Trend verfolgt und direkt eine problematische Entwicklung vermutet. Sie merkt an: "Ein unrealistisches Schönheitsideal kann Druck und psychische Belastungen ausüben. Dies kann zu Essstörungen und Selbstwertproblemen führen." Außerdem können sich aus dem veränderten Verhalten Folgen für die Psyche ergeben: "Das kann zu ungesunden Verhaltensweisen wie übermäßigem Sporttreiben oder extremen Diäten führen, die langfristige körperliche und psychische Schäden verursachen können."

Gefährliche Mager-Trends

Damit führen die "Legging Legs" eine Tradition aus gefährlichen Mager-Trends fort. Bereits im Jahr 2017 eiferte man Stars auf Social Media und deren "Thigh Gap" nach. Dieser Trend meinte die gleiche Lücke zwischen der Innenseite der Oberschenkel – aktuell erlebt er ein Comeback mit neuem Namen. Außerdem wird zu Sommerbeginn jährlich häufig noch von der "Bikinifigur" gesprochen – der Irrglaube, man dürfe sich nur mit perfekt trainiertem Körper in Badekleidung zeigen.

Wer kann Leggings tragen? Und wer darf sich darüber ein Urteil bilden? Derzeit macht ein gefährlicher Trend auf Social Media vielen Frauen das Leben schwer.

Wer kann Leggings tragen? Und wer darf sich darüber ein Urteil bilden? Derzeit macht ein gefährlicher Trend auf Social Media vielen Frauen das Leben schwer. © imago images/Pond5 Images

"Das Streben nach einer 'Thigh Gap' oder nach vergleichbaren Trends als Schönheitsideal greift zu kurz, da es nicht die Vielfalt der Körperformen berücksichtigt. Es ist viel wichtiger, die Vielfalt der Körperformen zu schätzen und den eigenen Körper zu akzeptieren", meint Mihalko. "Jeder Körper ist einzigartig und reagiert unterschiedlich auf Veränderungen in der Ernährung und Bewegung."

Trotzdem eifern viele Mädchen und junge Frauen diesen unrealistischen Vorstellungen eines vermeintlich optimalen Körpers nach. Der Trend verleitet zum Vergleich: Sehen meine Beine auch so perfekt aus wie ihre? Mihalko erklärt, es sei in diesen Momenten besonders wichtig, sich auf die eigene Einzigartigkeit und das eigene Wohlbefinden und vielfältigere Vorbilder zu konzentrieren. Solche Vorbilder kommen etwa aus der "Body Positivity"-Bewegung. Dahinter versammeln sich Influencerinnen und Influencer, die sich explizit für gesunde Lebensstile aussprechen und diese vorleben.

Sie präsentieren als Gegenpol zu den gefährlichen Schönheitsidealen ihre Körper mit allen vermeintlichen Makeln – unabhängig von "perfekten" Figuren. Den "Legging Legs”-Trend kontern sie beispielsweise mit Ansagen wie: "Du möchtest Legging Legs? Zieh eine Legging an – fertig". Aus dem deutschsprachigen Raum sind die Moderatorin und Sängerin Kim Hoss, die Autorin Melodie Michelberger und die Bloggerin Anna Kova Beispiele für virtuelle Wohlfühlorte für gesunde Gedanken zum eigenen Körper. Die Comedienne Sammy alias @sammagehtsnochjunge teilt zudem Videos auf Social Media, in denen sie sich über Dresscodes lustig macht und mit Humor aufzeigt, dass Kleidung nicht immer vorteilhaft aussehen muss.

"Du bist nicht allein"

Auf der Plattform TikTok taucht bei der Suche nach "Legging Legs" inzwischen statt Suchergebnissen ein Hinweis auf Hilfsangebote auf: "Du bist nicht allein. Wenn du eine schwere Zeit durchmachst oder jemanden kennst, der eine schwere Zeit durchmacht, denk daran: Es gibt immer Hilfe." Auf weiterführenden Links kann man sich dann Informationen zu Essstörungen durchlesen.

Wer bemerkt, eine ungesunde Beziehung zu Essen oder dem eigenen Körper aufzubauen, kann außerdem mit Experten sprechen. Mit ihnen können Betroffene daran arbeiten, das eigene Selbstwertgefühl zu stärken und sich von Vergleichen mit anderen zu lösen.

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